Am 15. Februar 1881 schaffte es ein Bürger aus Stockstadt am Rhein auf die Titelseite der „Darmstädter Zeitung“, die damals das offizielle Mitteilungsorgan der Großherzoglich Hessischen Landesregierung war. Es handelte sich hierbei um den Stockstädter Lehrer und Organist Philipp Roßmann, der am 12. Februar 1881 sein 50jähriges Amtsjubiläum beging.
Das war damals schon etwas Besonderes und auch heute wird ein solches Arbeitsjubiläum von einem Lehrer wohl kaum erreicht. Beachtlich ist, dass Lehrer Roßmann zu diesem Zeitpunkt bereits 74 Jahre alt war und noch immer im aktiven Schuldienst stand. Außerdem war er viele Jahre der Organist der Evangelischen Kirchengemeinde und dürfte daher der Erste gewesen sein, der die 1839 angeschaffte Stockstädter Dreymann – Orgel spielte.
Es stellt sich nun die Frage: wie beging man im Jahre 1881 in Stockstadt dieses Jubiläum? Dies kann man anhand des o. g. Zeitungsartikels nachvollziehen: „Nachdem man beschlossen, anfangs nicht ohne Sträuben Roßmanns, das Jubiläum des alten treuen Dieners in Kirche und Schule zu feiern und alles vorbereitet hatte, brachten ihm den Abend vorher die Gesang- und Kriegervereine mit Fackeln und Lampions und Böllerschüssen ein hübsches Ständchen. Heute Mittag trafen dann die auswärtigen Festgenossen – darunter etwa 30 Lehrer – von allen Seiten ein; an der Spitze die Mitglieder der Großherzoglichen Kreisschulcommission. Ein stattlicher Zug begab sich in das vollständig gefüllte neu hergestellte Gotteshaus, wo nach einem Präludium des Lehrers Fritsch (Biebesheim) der Ortsgeistliche Kromm über das Thema: des „Lehrerberufs“ Wichtigkeit, Beschwerlichkeit und Freudigkeit die Festpredigt hielt.
Im neuen Schulsaal empfing hierauf der mit seltener Kraft an Leib und Seele ausgerüstete Jubilar die Glückwünsche und sinnigen Geschenke. Vor Allem die von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog ihm verliehene Medaille für 50jährige treue Dienste, sowie die schriftliche Gratulation der obersten Kirchenbehörde, des Herrn Dekans und anderer Geistlichen und Freunde; daran schlossen sich die Ehrengeschenke an und dann auch ein solches von Gemeinde und Kirche. Sodann versammelten sich etwa 87 Personen im Saale des Götz´schen Gasthauses (Anmerkung: dem späteren „Deutschen Haus“) um den Jubilar, zu dem durch ernste und heitere Toaste gewürzten Festmahl.
Das vom Herrn Kreisrath ausgebrachte „Hoch“ auf seine Königliche Hoheit den Großherzog fand allgemeine, herzliche Beistimmung, sowie das andere auf Seine Majestät Kaiser Wilhelm.
Bis zum späten Abend blieben die Festteilnehmer beisammen in Freundschaft und Harmonie, um den wiederholt und tief ergriffenen, das Wort nehmenden und dankenden Jubilar geschart. Und als endlich geschieden werden musste, geschah es mit dem schönen Bewusstsein, nicht nur einen wackeren und alten „Schulmeister“ und trefflichen Organisten geehrt und erfreut, sondern auch überhaupt einen, den Lehrer-Beruf und Segen reichlich fördernden herrlichen Tag gefeiert zu haben.“ Soweit der Artikel der „Darmstädter Zeitung“.
Roßmann hielt noch Unterricht bis zum Jahre 1884 und ging dann im Alter von 77 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. In den Stockstädter Kirchenakten findet man hierzu folgende Notiz:
„Auch der 1. Lehrer Roßmann hat, da seine Kräfte – besonders sein Gehör – abgenommen hatten, um Pensionierung gebeten. Am 29. März lag des vorstelligen Dekret vor, mit vollem Gehalt und unter Anerkennung seiner mehr als 50 Jahre treu geleisteten Dienste. Er siedelte mit seiner hochbetagten Gattin bald darauf zu seinen Angehörigen dahier über.“ Philipp Roßmann verstarb am 04. August 1898 und wurde somit 91 Jahre alt – für die Zeit ein stattliches Alter.
Die dem Pädagogen 1881 verliehene Medaille „für 50jährige treue Dienste“ befand sich noch bis vor kurzem im Besitz eines Ururenkels des Lehrers Roßmann, Herr Karl Heinz Roßmann, der heute in Marktheidenfeld lebt. Herr Roßmann hat nun die historische Medaille an Jörg Hartung, den Leiter des Stockstädter Museums übergeben, der selbst auch ein Urururenkel von Philipp Roßmann ist. Auf der Vorderseite der Medaille befindet sich das Bildnis des Darmstädter Großherzogs Ludwig III von Hessen und bei Rhein, auf der Rückseite die Inschrift „für 50jährige treue Dienste“. Das außergewöhnliche Exponat ist ab sofort im Museum der Gemeinde Stockstadt am Rhein im ehemaligen Verwalterhaus des Hofguts Guntershausen zu besichtigen, das samstags, sonntags und an Feiertagen von 13 – 17 Uhr geöffnet hat.