Auf Höhenflug folgt eine Bruchlandung

Ried Echo vom 31.08.2018

Auf Höhenflug folgt eine Bruchlandung

Luftschiff LZ 4 Der Blick auf die Geschichte der Zeppeline erinnert stets an einen Grafen – Von Benita Nold

Im Heimatmuseum Stockstadt gibt es eine Reihe zu Exponaten zur Geschichte der Zeppeline. Besonders außergewöhnlich ist ein originales Wrackteil des verunglückten Luftschiffs LZ 4.

STOCKSTADT – Ein gesonderter Raum des Heimatmuseums befasst sich ausführlich mit den Hintergründen und Geschehnissen zur Notlandung des Grafen Zeppelin mit seinem Luftschiff LZ 4 auf dem Rhein. Modelle, Bilder des Grafen und Tafeln über die Geschichte der Luftschiffe erklären, was es mit den verschiedenen Ausstellungsstücken auf sich hat. Besonders außergewöhnlich ist ein originales Wrackteil des am 5. August 1908 bei Echterdingen verunglückten Zeppelin’schen Luftschiffs. Auch ein Hüllenrest befindet sich in der Vitrine.

Viele Bilder und Zeichnungen erinnern an die zahlreichen Konstruktionsversuche des Grafen Zeppelin und das Pech seiner Fluggeräte. Der Brand des Luftschiffs hätte vor 110 Jahren beinahe das Aus für die Zeppeline bedeutet, noch bevor die Ära der Luftschiffe richtig begonnen hatte. Doch eine Spendenaktion rettete letztlich das Zeppelin-Projekt.

Graf Zeppelin war bereits 52 Jahre alt, als er sich ab 1890 voll und ganz mit der Entwicklung von Starrluftschiffen beschäftigte. Am 2. Juli 1900 war es endlich so weit. Der Graf stieg am Bodensee mit seinem gelben Prototypen LZ 1 400 Meter hoch in die Luft. Doch bereits wenige Monate nach dem erfolgreichen Start brach das Luftschiff auseinander, da Aufhängeketten gerissen waren. Sofort machte sich der Graf an den Bau eines neuen Luftschiffes. 1905 war so das LZ 2 fertig. Das Luftschiff war nun leichter, die Motoren wurden verstärkt. Aufgrund zu starken Seitenwinds erlitt es eine Havarie. Beim zweiten Probeflug setzte eine Gewitterböe ein und richtete das Luftschiff so zu, dass der Graf am nächsten Morgen den Abbruch anordnete. Trotz seines hohen Alters verzweifelte Graf Zeppelin nicht. Lange erfolgreich war sein nächster Versuch, das LZ 3, das für das Deutsche Reich besonders attraktiv war und unterstützt wurde. Problemlos konnte das Luftschiff durch Wind und Wetter fliegen. Endlich zeigten sich die Vorteile des Zeppelin‘schen Systems mit seinen zwei Motoren und seiner Steuerungsvorrichtung. Das Luftschiff konnte auf Wasser und festem Boden erfolgreich landen und sicher wieder aufsteigen.

Die deutsche Armee wollte neben dem LZ 3 einen weiteren Zeppelin kaufen, stellte jedoch die Bedingung, dass dieser für eine 24-Stunden-Fahrt geeignet sein müsse. Am 4. August 1908 startete das LZ 4 in Friedrichshafen Richtung Mainz. Ein Motorschaden zwang das Schiff am Kornsand bei Geinsheim zur Notlandung. Der Motor konnte innerhalb von vier Stunden repariert werden, am Abend startete das Luftschiff erneut. Auf dem Rückweg gab es jedoch wieder Probleme mit dem Motor. Der Zeppelin musste auf den Feldern bei Echterdingen in der Nähe von Stuttgart zwischenlanden. Ein Sturm riss das Schiff am 5. August aus seiner Verankerung. In einem Obstbaum gestrandet, fing es Feuer.

Von der stolzen Konstruktion blieben nur noch rauchende Trümmer. Beinahe hätte der Unfall das wirtschaftliche Aus für die Luftschiffe bedeutet. Doch einer der zahlreichen Zuschauer rief spontan eine Spendenaktion ins Leben und löste eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft im ganzen Land aus. Eine Summe von 6 096 555 Mark ermöglichte es dem Grafen, die Luftschiffbau Zeppelin GmbH zu gründen und eine Zeppelin-Stiftung ins Leben zu rufen. In den nächsten 30 Jahren dominierten die Luftschiffe die Lüfte, und noch heute macht ihre Geschichte im Museum Eindruck und erinnert an den Grafen, der die zweite Hälfte seines Lebens ausschließlich den Zeppelinen widmete.

 DIE SERIE

In der Serie mit Exponaten des Heimatmuseums Stockstadt im Hofgut Guntershausen sind bisher der „Rübenheber“ und der fürstliche WC-Sitz erschienen. (dev)


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Sieben neue Kräuterpädagoginnen

Ried Echo vom 7.8.2018

Von Rene Granacher

STOCKSTADT – Sieben Kräuterpädagoginnen gibt es seit dem Wochenende, die meisten davon aus Südhessen. Mit einer Abschlussprüfung im Hofgut Guntershausen endete ein rund einjähriger Lehrgang der Gundermann-Akademie, die den Teilnehmerinnen das Wissen um heimische Wildpflanzen in Theorie und Praxis vermittelte. An zehn Wochenenden ging es um das sichere Erkennen von Pflanzen und um ihren Einsatz – sei es in der Küche oder in der Heilkunde.

Zur Abschlussveranstaltung war am Samstag auch Bürgermeister Thomas Raschel (CDU) gekommen, der in den Kräuterkenntnissen einen weiteren Schatz der „Schatzinsel Kühkopf“ sah: „Ich freue mich, wenn das alte Wissen aufgegriffen und ans Tageslicht gebracht wird.“ Für den Förderverein des Hofguts war Jörg Hartung im Verwalterhaus dabei.

Zum Abschluss ihres Lehrgangs bewiesen die Frauen ihre über ein Jahr erworbenen Kenntnisse zunächst in einer theoretischen Prüfung, dann in einer kurzen Themenführung. Solche sollen die frisch gebackenen Pädagoginnen selbstständig anbieten können, weshalb die fachgerechte Vorbereitung wichtiger Teil der Ausbildung war. Viel Raum nahm auch die Zubereitung lukullischer Genüsse aus Wildpflanzen ein.

Über das Ausbildungsjahr hinweg hatte sich jede Teilnehmerin auch ein eigenes Herbarium angelegt: einen Ordner mit selbst gesammelten und gepressten Pflanzen. Weil auch Präsentation und Vermarktung dazugehören, war für das Wochenende ein individueller Tisch mit Ausstellungsstücken vorzubereiten, wie er etwa auf Veranstaltungen aufgebaut werden könnte. „Komm mit ins Grüne – Wildkräutersalz von der Unkrautwiese“ war etwa der Tisch von Kerstin Beimborn überschrieben. Neben Salzen hatte sie auch Beispiele für Kräuterlimonade und -gebäck dabei.

Gaby Kissel aus Gernsheim zeigte eine bunte Mischung von Wildkräuterquiz, Kräuterspaziergang und einer „Kräuterbutter vom Wegesrand“. Anja Bauer aus Trebur hatte das Motto „Kräuterpicknick mit dem König“ gewählt und spielte damit auf die „edle Familie“ der Wegerichgewächse an.

Absolventinnen bereiten Ausstellung vor

„Wildkräuter-Entdeckungen für die ganze Familie“ will Angela Weiss aus dem Rheingau bieten, mitgebracht hatte sie etwa Spitzwegerich-Brötchen und Rosmarin-Öl. Die Biebesheimerin Elke Albrecht hatte ihren Tisch dekorativ gestaltet mit bepflanzten Schuhen und regionalem Führungs-Zubehör wie einer Autanflasche. Silke Krapp hatte zum Motto „Von der Wiese in die Butter“ ihre Präsentation um einen Schaukasten ergänzt.

Eve Koutny aus Klein-Gerau zeigte flüssige Zubereitungen: Essige, Liköre und Schnäpse mit heimischen Wildpflanzen. Für ihre Kräutersalze hatte sie gezielt solche Pflanzen benutzt, die bei der gegenwärtigen Dürre noch zu finden sind, erklärte sie in ihrem Prüfungsgespräch


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Ernten mit dem Rübenheber

Ried-Echo vom 31.7.2018 (von Benita Nold)

STOCKSTADT – Grübelnd steht der Museumsbesucher vor einer Glasvitrine. Was versteckt sich hinter diesem ungewöhnlichen Ding? Ein Teil einer Kutsche? Ein Werkzeug? Es ist ein Rübenheber. Ein Werkzeug, das zur Ernte von Rüben verwendet wurde. Das Ausstellungsstück ist über 100 Jahre alt und befindet sich im Heimatmuseum Stockstadt.

So wie eine alten Kutschenlaterne, ein Fernsprechgerät, ein Locher und eine Schreibmaschine ist der Rübenheber ein Alltagsgegenstand des 19. Jahrhunderts. Bis in die vierziger Jahre erfolgte die Ernte noch in Handarbeit. Den Rübenheber setzte man bei festem oder ausgetrocknetem Boden ein, wenn sich die Rübe nicht mit bloßen Händen herausziehen ließ. Schon bald war der handgeschmiedete Rübenheber jedoch veraltet. Erste Rübenerntemaschinen kamen ab 1860 auf den Markt.

Mit Hilfe der Maschinen wurde der Boden aufgelockert und die Rüben angehoben, sodass sie leichter aus der Erde gezogen werden konnten. Ab 1920 kamen pferdegezogene Rodepflüge auf, die zwei Zinken besaßen. Mit dem Pflug war der Bauer in der Lage, die Rüben ganz aus dem Boden zu pflügen und seitlich abzulegen. Ende der dreißiger Jahre gab es dann zweireihige Köpfschlitten, die zusätzlich mit waagerecht angebrachten Messern die Rübenblätter abschnitten. Die Maschinen erledigten die Arbeit von zehn Arbeitern. Heutzutage wird die unvorstellbare, mühsame und zeitaufwendige Arbeit von hoch technisierten Vollerntemaschinen übernommen.

Auch andere Dinge haben sich weiterentwickelt. Ein „Fernsprechapparat“ heißt heute Telefon und hängt nicht mehr an einem Kabel. Statt Schreibmaschinen gibt es Computer, Kutschen sind kaum noch auf öffentlichen Straßen zu sehen. Wie sich alles verändert hat, wird im Stockstädter Museum deutlich.

Das Museum ist untergebracht im ehemaligen Verwalterhaus des Hofguts Guntershausen auf dem Kühkopf. Neben Kunst- und Sonderausstellungen wird eine Dauerausstellung zur Geschichte des Hofguts gezeigt. Ein Modell des früheren Herrenhauses und ein Modell der Wirtschaftsgebäude zeigen, wie sich die Anlage verändert hat.

Auf Informations-Tafeln kann sich der Besucher ausführlich über Vergangenes und Aktuelles informieren. Mit den Exponaten wird Geschichte zum Leben erweckt. Ein ausgestopfter Jagdfasan erinnert ebenso an vergangene Jagdausflüge wie ein Klappstuhl, den der russische Zar Nikolaus II. bei seiner „Hubertus-Jagd“ benutzt haben soll.


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Vom Erproben der Möglichkeiten

Ried-Echo vom 2.7.2018 (von René Granacher)

Vom Erproben der Möglichkeiten

WALTRAUD VOSNIAK Oppenheimer Künstlerin zeigt Bilder und Skulpturen im Hofgut Guntershausen

STOCKSTADT – Werke in verschiedenen Techniken und Stilen umfasst die Ausstellung von Waltraud Vosniak, die am Freitagabend im Verwalterhaus des Hofguts Guntershausen eröffnet wurde. Die Oppenheimerin zeigt Bilder in Acryl, Aquarell und Öl ebenso wie Keramiken und Bildhauerarbeiten. Betitelt ist die Zusammenstellung mit „Spuren von Begegnungen“. Claudia Blum-Borell vom Förderverein des Hofguts begrüßte die Gäste der Vernissage.

Die künstlerische Mischung ist gekennzeichnet vom Erproben verschiedener Möglichkeiten. In ihrer Einführung beschrieb Vosniak den Unterschied zwischen Bildhauerei und Plastizieren: Ist ein Wegnehmen vom Stein nicht mehr rückgängig zu machen, so kann man beim aufbauenden Arbeiten immer wieder hinzufügen und verbessern, bis der gewünschte Endzustand erreicht ist.

Wiederholtes Übermalen und Perfektionieren

Die ausgestellten Objekte legen Zeugnis davon ab, dass diese Vorgehensweise auch diejenige ist, die der Künstlerin mehr liegt. Zwei große Keramikarbeiten lassen am ehesten eine eigene Handschrift erkennen: die „Aufsteigende“, eine weibliche Aktfigur, und der als weiblich angedeutete Torso mit Stierkopf, der mit „Zerrissene Seele, Stier-Frau“ bezeichnet ist.

Von der Zerrissenheit, mit der Vosniak sich selbst in ihrem Sternzeichen widerspiegeln will, ist im fertigen Werk zwar wenig spürbar, doch bilden die Proportionen und die Oberflächenstruktur der dunklen Minotaurus-Frau ein gefälliges Ganzes. In Sandstein sind etwa ein stilisierter Falke, ein liegendes Schwein und eine Frauenbüste zu sehen.

Auch unter den Gemälden und Zeichnungen sind diejenigen am gelungensten, deren Technik (Öl oder Acryl) ein wiederholtes Übermalen und Perfektionieren erlaubt. Die zahlreichen Aquarelle zeigen vor allem, dass es eine gute Beherrschung dieser Technik und auch ein Gefühl für die Wirkung von Farben braucht, damit ein Ergebnis jenseits der Wasserfarbenbilder auf Schulniveau entsteht. Eine gelungene Zeichnung ist der liegende Akt, den Vosniak mit Lokalfarben auf zuvor gelb eingefärbtem Papier gestaltet hat.

Zu den Acrylbildern gehört etwa „wein_reich“: Ein Blick von oben auf gefüllte Weingläser, sodass sich auf Basis einer Palette vor allem von Gelbtönen ringförmige Strukturen abzeichnen. Das hat ebenso graphische Anklänge wie „Südstrand-Häuser“, das beste der Ölbilder in der Ausstellung. Ebenfalls in Öl ausgeführt ist der „Seespaziergang à la Macke“, die Nachahmung eines expressionistischen Stils.

Das Acrylbild „Portrait Freund“ gefällt vor allem durch die gelungene Modellierung des Gesichts, ergänzt ist es um Collagenelemente. Im Bild der „Madame Euro“ wurden geschredderte Geldscheine verarbeitet. Das Bild einer weißen Amaryllisblüte wirkt durch seine reduzierte Buntheit und die klar gemalte Blüte vor verwaschenem Hintergrund. Ähnlich angelegt sind die „weißen Tulpen auf Rot“. Als größtes Format innerhalb der Ausstellung fällt „Bewahr dir dein Leben!“ auf, ein Wimmelbild mit Anklängen an die Naive Malerei.

 

  • TERMIN

Die Ausstellung ist bis zum 26. August im Verwalterhaus des Hofguts Guntershausen zu sehen. Geöffnet ist samstags und sonntags jeweils von 13 bis 17 Uhr, der Eintritt ist frei. (gra)


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Englische Nobel-Toilette im Heimatmuseum

Ried Echo vom 05.06.2018

Von Benita Nold

STOCKSTADT – „Was macht denn die Toilette da?“, fragt sich womöglich der eine oder andere Besucher des Stockstädter Heimatmuseums. Inmitten von alten Werkzeugen, Kutschenteilen und einem Modell des früheren Herrenhauses des Guts steht sie auf einer Erhöhung aus Holz. Sie ist in blauer Farbe mit Fasanen, Blumenranken und Blattwerk prunkvoll bemalt und glasiert. Sie ist ein richtiges „Nobel-WC“.

Nach fast 40 Jahren kehrte der Toilettensitz 2014 auf den Kühkopf zurück. Die Nobel-Toilette gehörte Cornelius Wilhelm Freiherr von Heyl zu Herrnsheim und befand sich im ehemaligen Herrenhaus des Hofgutes Guntershausen. Kurz vor dem Abbruch des „Herrschaftshauses“ Ende der siebziger Jahre wurde die Toilette vom Sohn des früheren Gutsverwalters, Thomas Gaudchau, vor der Zerstörung gerettet und seither aufbewahrt. Er übergab die Rarität an den Förderverein Hofgut Guntershausen für das Museum im Hofgut.

Es handelt sich um eine Toilette der Marke „Cauldon“ mit dem Modellnamen „The Neptun“, die in den 1890er Jahren in England in der Grafschaft Staffordshire, vermutlich von der Firma „Brown-Westhead, Moore & Co“ produziert wurde. Der Überlieferung nach befanden sich ursprünglich zwei dieser Toiletten im Herrenhaus, wovon eine allerdings zu Bruch ging.

Solange es im Haus noch kein fließendes Wasser gab, musste zur Spülung der Toiletten ein eigens im Dachgeschoss angebrachter Wassertank von den Bediensteten des Freiherrn mit Eimern aufgefüllt werden. Da der Freiherr von Heyl zu Herrnsheim in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg regelmäßig zahlreiche hochrangige Jagdgäste wie Prinz Heinrich von Preußen, Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein sowie König Wilhelm II von Württemberg in seinem Herrenhaus empfing, ist davon auszugehen, dass diese Toilette dort gelegentlich auch von diesen Herrschaften aufgesucht wurde.

Zar Nikolaus II von Russland war ebenfalls Besucher des Freiherrn. Ihm wurde ebenfalls ein Exponat im Museum gewidmet. Eine Nachbildung des Klappstuhls des Zaren, auf dem er während der „Hubertus-Jagd“ am 3. November 1903 gesessen hatte, steht direkt neben dem Nobel-WC. Auf der Lehne ist zu lesen: „Auf diesem Stuhle saß Nikolaus II., Kaiser von Russland, auf der „Hubertus-Jagd“ im Jahre 1903 zu Guntershausen“. Wer damals die Beschriftung anbrachte, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

Klappstuhl für Zar Nikolaus

Um eine Nachahmung handelt es sich deshalb, weil der originale Klappstuhl im Besitz der in Guntersblum lebenden Nachkommen des früheren Oberförsters Alois Bauer ist, der den Stuhl nach der Jagd an sich nahm. Bauer wohnte im Forsthaus des Hofgutes Guntershausen auf dem Kühkopf und unterstützte den Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim bei der Organisation und Durchführung der Jagd.

„Dem Tagebuch des Zaren ist zu entnehmen, dass er diesen Tag als sehr angenehm empfand, er fühlte sich auf dem Kühkopf sehr wohl“, ist auf einer der vielen erklärenden Tafeln zu lesen, die an den Wänden des Museums aufgehängt wurden. Ein Bild des Zaren, die auf seinen Besuch abgestimmte Tagesordnung sowie seine Jagdgesellschaft sind für einen anschaulichen Eindruck der Geschehnisse auf der Tafel platziert worden.


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Horst Eckert stellt auf dem Hofgut Guntershausen sein Buch „Der Preis des Todes“ vor

Ried Echo / Stockstadt 02.06.2018

Horst Eckert stellt auf dem Hofgut Guntershausen sein Buch „Der Preis des Todes“ vor

Von Anke Mosch

STOCKSTADT – Der Krimiautor Horst Eckert ist ein früherer Journalist, der eines nie wollte: einen Journalisten zur Hauptfigur seiner Romane zu machen. „Meine ausgedachten Kriminalfälle möchte ich von Leuten lösen lassen, die das auch im wirklichen Leben machen – das ist meinem Realitätssinn geschuldet“, sagte Eckert. Schließlich sei er in 15 Jahren Fernsehjournalismus auch nicht ständig über Leichen gestolpert und habe zwar schon mal über einen Mord berichtet, die Ermittlungsarbeit aber tunlichst Kriminalbeamten überlassen.

Hauptfigur gerät in einen Gewissenskonflikt

Eckert war am Mittwochabend in den ehemaligen Pferdestall des Hofguts Guntershausen gekommen, um in der Reihe der Kreisvolkshochschule „Krimispannung mit der VHS“ seinen im März erschienenen Politthriller „Der Preis des Todes“ vorzustellen. Noch vor Beginn der Lesung bekannte er, sich in seinem 15. Roman von seinem schriftstellerischen Dogma gelöst zu haben. Denn Hauptfigur ist die junge Journalistin Sarah Wolf, die erst seit kurzer Zeit die wichtigste Polit-Talkshow im Abendprogramm der ARD leitet. Ihr Leben mit dem Kampf um Karriere und Quoten wird noch dadurch verkompliziert, dass sie heimlich mit Christian Wagner liiert ist, Shootingstar der SPD und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, dem eine große Karriere vorhergesagt wird. Wenn da nicht seine Beziehungen noch aus seiner Abgeordnetenzeit zu dem größten privaten Krankenhausbetreiber Samax wären. Als Samax den wichtigsten Konkurrenten aufkaufen will und ein befürwortendes Schreiben Wagners an den Wirtschaftsminister bekannt wird, gerät Sarah in einen Gewissenskonflikt.

In seiner Lesung quer durch das Buch bis gegen Ende des zweiten Drittels schilderte Eckert auch Sarahs Sendung zum Thema Lobbyismus, in deren Vorfeld sie sich schweren Herzens für einen Einspieler über ihren heimlichen Geliebten entschieden hat – um dann entgeistert während der Live-Show feststellen zu müssen, dass der entsprechende Beitrag um den Teil über Wagner gekürzt wurde. Als sie nach der Sendung in den Schneideraum stürmt, erfährt sie, dass der Staatssekretär kurz zuvor erhängt in seiner Berliner Wohnung gefunden worden war. Was Sarah – und die Zuhörer – schon geahnt hatten, wird schnell Gewissheit: Tatsächlich war es Mord, und die Journalistin beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Die Spuren führen ins größte Flüchtlingslager der Welt, nach Dadaab im Nordosten Kenias und zum dortigen Krankenhaus.

 

  • ERLÄUTERUNGEN

Horst Eckert unterbrach seine Lesung immer wieder für ergänzende Erklärungen. So erfuhren die Zuhörer, dass der Glauser-Preisträger nur ein weiteres schriftstellerisches Dogma hat: Seine Thriller sollen in der Großstadt angesiedelt sein, weil dort alle sozialen Milieus vertreten sind. Für Eckert, der seit über 30 Jahren in Düsseldorf lebt, ist es die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. In „Der Preis des Todes“ wird auch dieses Prinzip zumindest aufgeweicht. Denn Düsseldorf wird hier zum Nebenschauplatz, in den üblen Machenschaften um Gesundheitspolitik treten Berlin und das gigantische Flüchtlingslager in der Halbwüste Kenias in den Mittelpunkt. (anmo)


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„Bees Denäwe“ pflegt das Ried-Heimatgefühl

Ried-Echo vom 7.5.2018

Von René Granacher

STOCKSTADT – Konzerte von „Bees Denäwe“ sind Abende, bei denen das Ried sich selbst feiert und viel Spaß dabei hat. Wobei „Konzerte“ die Sache kaum noch trifft, denn über die Jahre hat sich der Erzählanteil bei den Shows von Klaus Lohr und Franz Offenbecher immer mehr vergrößert: Wenn man nach drei Stunden Kurzweil geht, hat man erstaunlich wenige Lieder gehört.

Trockener Humor zu Musik vom Typ Country-Rock

Vielleicht trägt das ja noch dazu bei, dass der Hunger auf das Ried-Duo nie ganz gestillt wird und ihre Auftritte oft innerhalb von Stunden ausverkauft sind. So war es auch bei der Veranstaltung am Freitagabend, zu der die Kulturinitiative Stockstadt die beiden Musiker in den ehemaligen Pferdestall des Hofguts Guntershausen eingeladen hatte. Der rustikale Rahmen passte hervorragend zu den Sängern, deren Auftrittskleidung Stalljacke und Gummistiefel ist.
Unter den vielen gut erfundenen Anekdoten an diesem Abend war auch die von der älteren Zuhörerin, die um ein Stück „Heimatmusik“ bat – und auf nähere Nachfrage das Kufsteinlied als Beispiel nannte. „Gebirgsmusik!“, gab Lohr sich fassungslos, wo doch die höchste Erhebung in Stockstadt das Geländer der Altrheinbrücke sei. Dagegen setzt „Bees Denäwe“ also echte Ried-Heimatmusik wie „Mir sein aus‘m Ried“ als heimliche Hymne der Region, deren beinahe ekstatischen Refrain viele im Publikum schon mitsingen konnten.
Die weitere Mischung war so einzigartig, wie man sie nur von Lohr und Offenbecher kennt: Südhessische Mundart und trockener Humor zu Musik vom Typ Country-Rock – und von Klaus Lohr eine Röhre, mit der er auch Heavy Metal singen könnte. Da paart sich sein Erzähl- und Unterhaltungstalent, das er mit sympathischer Natürlichkeit und Selbstironie auf die Bühne bringt, mit einem professionellen Niveau der musikalischen Darbietung, das die beiden Ried-Barden hinter all den Pointen und Späßen geradezu verstecken.
So erzählt Lohr von Hessisch-Integrationskursen, die er für Syrer „und Leute aus’m Neubaugebiet“ gebe, damit die erstmal wichtige Wörter wie „Kroppedeckel“ lernen. Überhaupt, die Mundart: Deren Aussterben wollen die beiden zumindest verzögern mit Liedern über „Stoppeler, Kruscheler, Fuddler und Hockeler“, die zum besseren Verständnis mit vielen heiteren Erläuterungen begleitet wurden.
Zu hören waren Klassiker wie die „Bombelkapp“ oder das schönste Ried-Seemannslied „Ahoi, Ahoi“ (über die Fahrt nach Guntersblum), ebenso aber Neueres wie „Ei, gugge mol do“ (über die Konfrontation zwischen Riedbewohnern und Stadtvolk) oder „Liebe auf’m Land“. Hier gehörte als Anekdote dazu, wie man als Jüngling aus dem Ried einst in der Disco keine Chancen bei den Damen hatte. Immerhin: Die Jünglinge aus dem Odenwald durften in die Disco gar nicht erst rein.
Lohrs ausdrucksstarke und wandlungsfähige Stimme belebte auch hessisch-englische Mischungen wie „Sing with me the Äbbelwoi-Song“ oder das Werk über den Odenwälder Ur-Jodler, das den Dialekt des nahen Mittelgebirges sanft auf die Schippe nimmt. Mehr Gefühl als Spaß gab es ausnahmsweise bei „Ich geheer ins Ried“ – dem dafür eine ausführlich-humoristische Betrachtung vorangestellt wurde, welche Orte dem Ried eigentlich zuzurechnen seien. Am Schluss stand nach der Logik des Rückwärts-Konzerts das gemeinsame Einsingen: Dazu hielt das Duo den so sinnfreien wie witzigen Nonsens-Ohrwurm „Lalalaa“ bereit.

Ein Auftritt von „Bees Denäwe“ ist wohl die heiterste Art, sein Heimatgefühl zu pflegen. Für die passende Bewirtung mit Äbbelwoi und deftigen Speisen sorgte an diesem Abend der Förderverein des Hofguts Guntershausen.


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Vereine präsentieren sich beim Frühlingsfest auf dem Kühkopf

Von René Granacher

STOCKSTADT – Zwischen Bartgeiern und Nashornkäfern fanden sich die Gäste wieder, die am 1. Mai zum Frühlingsfest ins Hofgut Guntershausen kamen: Vereine und Verbände präsentierten sich im Hof des historischen Gebäudeensembles, und jeder zeigte spezielle Tierarten, denen seine Aufmerksamkeit gilt. Frösche, Dachse und sogar ein Tiger – die Zusammenstellung war so bunt wie das Fest, das von Besuchern geradezu überschwemmt wurde.

Kurz zuvor war das Wetter noch ungewiss, aber dann brachte der Tag einen Mix aus Sonne, Wolken und reichlich Wind: manchmal kühl, aber immer trocken. So strömten die Ausflügler in Scharen zum Kühkopf, und das von beiden Seiten. Denn nicht nur der Parkplatz an der Altrheinbrücke war gestopft voll, auch über den Rhein kamen die Menschen mit der Fähre zum Radeln und Feiern. Das Fahrrad war Verkehrsmittel der Wahl, und so wurde die Fläche gegenüber dem Hofgut zum Großraumparkplatz für Zweiräder.

 

  • WASSERMODELL

David Schmid, Praktikant im Umweltbildungszentrum, erklärte den tieferen Sinn des Wassermodells: Der Fluss sucht sich zwischen Felsen seinen kürzesten Weg und trägt Dämme aus Sand früher oder später ab.

Im begradigten Rhein mit seinen befestigten Ufern funktioniert diese natürliche Veränderung der Landschaft jedoch nicht mehr.

Zum gleichen Thema informierte das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“, das am Kühkopf die Uferbefestigung teilweise zurückbauen lässt. (gra)

Großes Angebot für Kopf und Magen

Und den vielen Gästen wurde auch viel geboten, für den Magen wie für den Kopf. Zwischen Kühkopf-Café auf der einen und Hofgut-Café auf der anderen Seite fanden sich noch Stände des Hofgut-Fördervereins mit deftigen Speisen sowie Apfelwein und mehr aus der Region. Waren noch zwei Tage vorher die Riedbewohner nach Guntersblum geradelt, um es sich beim Leininger Markt und in Weingütern gut gehen zu lassen, so zogen die Völkerscharen nun in die andere Richtung. Tische und Bänke reichten kaum aus, die Grasfläche im Zentrum des Hofs wurde zum Picknick-Areal.

Von dort hatte man alle Angebote im Blick. Etwa den Stand der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die über ihre Bartgeier-Aufzuchtstation informierte und die Spannweite der imposanten Vögel mit einer drei Meter langen Schnur erfahrbar machte. Oder die Schädelsammlung von Fraport, die den Knochenbau heimischer Wildtiere demonstrierte und als Kontrast noch einen Tigerschädel zeigen konnte.

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bot neben dem Flechten und Punzen von Lederschmuck auch ein Eichenwald-Terrarium mit Großmodellen beeindruckender heimischer Insekten wie Nashornkäfer und Großer Eichenbock. Alte Eichenbestände auf dem Kühkopf sind ein wichtiges Habitat des Hirschkäfers, der gerade kurz vor dem Ausfliegen steht. Gleich nebenan gab es Artikel aus der Nähstube von „Stockstadt hilft“ und syrische Spezialitäten von Nazhat Shatlo.

Kleine Kinder konnten im Lesetipi Geschichten aus dem Auenwald hören, bevor sie sich vielleicht am Schminktisch mit einem Tiergesicht versehen ließen. Etwas größere begeisterten sich für Aktivangebote: Am Stand des Geoparks stellten besonders Mädchen mit Hingabe Kräutersalze her, indem sie Salzkörner und getrocknete Küchenkräuter in Mörsern zerkleinerten. Jungen bevorzugten die Möglichkeit, am Modell eines Wasserlaufs im Sand zu matschen und die Kräfte der Erosion am eigenen Leibe zu erfahren.

Auch Nistkästen konnte man mit dem Team des Umweltbildungszentrums bauen, daneben warteten die vielfältigen Ausstellungen zu Flora, Fauna und Landschaftsgeschichte. Im Verwalterhaus standen die historischen und künstlerischen Ausstellungsstücke zur Besichtigung bereit.


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Neuer Blick auf den Kühkopf

Stockstadt, 30.04.2018

AUSSTELLUNG Künstlerin Heike Schmid lässt das Naturschutzgebiet in anderen Farben erscheinen

STOCKSTADT – (gra). Den Elisabeth-Langgässer-Wanderwegs bildlich umsetzen: Das hat Heike Schmid, Künstlerin aus Leeheim, getan. In ihren Bildern, die seit dem Wochenende im Hofgut Guntershausen auf dem Kühkopf zu sehen sind, hat sie Naturaufnahmen entlang des Weges in der Knoblochsaue auf verschiedene Weise verfremdet.

Teils hat sie die Motive als Vorlage für Acryl- oder Temperagemälde genutzt, teils am Computer mit Bildbearbeitungsprogrammen farblich verändert. „Ich habe lange gekämpft und gearbeitet, um die Mystik des Weges darzustellen“, sagte sie bei der Eröffnung.

  • ZUR PERSON

Heike Schmid wurde 1959 in Eschwege geboren und kam über Stationen in Rüsselsheim und Weiterstadt nach Leeheim.1992 begann sie, verschiedene malerische Techniken zu erlernen, und richtete sich 1994 ein eigenes Atelier ein, wo sie auch Kurse gibt. (gra)

Bäume, Blätter und Wasser gehören zu den Konstanten, die sich immer wieder in den Bildern finden. Oft ähneln sich die Motive im Kern, sind aber mit einer jeweils eigenen Farbpalette dargestellt: eine Baumsilhouette in dunkelblauen Tönen vor hellblauem Hintergrund wirkt attraktiv und strahlt Ruhe aus, ganz anders ein ähnlicher schwarzer Baum vor einer Verwischung aus grün, gelb und ocker.

Unweit dieser Variationen hängen mehrere „Herbststurm“-Gemälde, die sich als ein dichtes Gemenge fliegender Blätter vor hellen Hintergrund sehen lassen, eine Naturimpression an der Grenze zum Abstrakten. Auf zwei oder vier Leinwände verteilt, bilden diese Bilder eine dekorative Gesamtheit.

Solche spannungsreichen Interventionen, in denen Mut und Kompositionssinn bewiesen werden, hätte man sich noch in anderen Bildern gewünscht, die zuweilen allzu gefällig erscheinen. Mehr Mut zur Abweichung und zum Experiment hätte gut getan, um neue Aussagebereiche zu erobern. Wenige Bilder wie „fliegende Landschaft“ beschreiten tatsächlich andere Wege.

Unter den Fotos, die Schmid verfremdet und dann auf Acrylplatten hat reproduzieren lassen, zeigen viele eine Überfärbung in Grün- und Pinktönen. „Roter Wald“ sticht heraus durch eine starke Farbigkeit, die in ihrer Verkehrung des Gewohnten an alte Farbnegative denken lässt. Auch bei „Pinke Flechte“ ist die Farbveränderung stärker durch das Motiv bestimmt und wirkt nicht einfach beliebig.

Stefan Grossmann aus Leeheim sagte in seiner Laudatio, es gebe „keinen besseren Ort als gerade hier“ für diese Bilder aus der Auenlandschaft. Dabei seien die Gemälde nicht nur Impressionen, sondern gewährten zugleich intime Einblicke in das Innere der Künstlerin. Die Ausstellung ist im Verwalterhaus des Hofguts bis zum 24. Juni zu sehen, geöffnet ist an Wochenenden und Feiertagen jeweils von 13 bis 17 Uhr.


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Erinnerung an die Schrecken des Krieges

Von René Granacher 

HOFGUTNACHMITTAG Jörg Hartung berichtet von einem Bombenangriff der Alliierten 1943 auf Stockstadt

STOCKSTADT – Es ist ein trauriges Ereignis, dessen beim Hofgutnachmittag gedacht wurde: Vor 75 Jahren fielen Bomben auf Stockstadt, eine Bürgerin starb. Jörg Hartung erinnerte daran bei seinem Vortrag im Hofgut Guntershausen, bei dem gut 50 Zuhörer anhand von Berichten und Fotografien mehr über das Geschehen erfuhren. Bürgermeister Thomas Raschel begrüßte die Gäste und betonte, wie wichtig die Erinnerung an die Schrecken des Krieges sei.

In der Nacht vom 10. auf den 11. April 1943 trugen Bomber der Alliierten den Zweiten Weltkrieg erstmals auch nach Stockstadt. Dabei war der Ort wahrscheinlich nur zufällig Ziel: Eigentlich war die tödliche Last für Frankfurt gedacht, doch eine dichte Wolkendecke verhinderte den planmäßigen Abwurf. Stattdessen fielen die Bomben wahllos über dem Rhein-Main-Gebiet.

Gegen 1 Uhr schlug eine große Luftmine in der Mitte des Marktplatzes ein, damals noch ein Acker, und zerstörte die erst wenige Jahre alten Häuser ringsum. Weitere Detonationen gab es etwa in der Kleingasse, wo hauptsächlich Scheunen zerstört wurden. Brandbomben fielen auf den Ort und die umliegenden Felder. 

Stürzten am Marktplatz durch die Wucht der Explosion die Hausmauern in sich zusammen, so wurden in benachbarten Straßen noch Dächer abgedeckt und Fenster eingedrückt. Auch alle Scheiben der nahen Kirche gingen zu Bruch, ihr Schieferdach wurde abgedeckt und die Turmuhr blieb im Moment der Detonation stehen. Hartung stellte historischen Fotos der beschädigten Gebäude späteren Aufnahmen der wieder aufgebauten Häuser gegenüber. Die Stockstädter hielten sich während des Luftangriffs in Kellerräumen und Bunkern versteckt, doch nicht allen rettete dies das Leben: In den Keller des Hauses Marktplatz 1 drang ein Bombensplitter ein und verletzte Babette Reichard, geborene Weicker, an der Halsschlagader. Die 27-jährige verblutete vor den Augen ihres Mannes und ihrer fünfjährigen Tochter.

Die Brände mehrerer Häuser konnte die kleine Feuerwehrtruppe aus älteren Männern und Jugendlichen mit ihrer kurz zuvor gekauften Motorspritze nicht eindämmen. Das Vieh wurde aus den Ställen getrieben, um es vor dem Verbrennen zu bewahren. Für die obdachlosen Bürger wurden am nächsten Tag Notunterkünfte gesucht, später gab es Geldsammlungen. Die Zeitungen schlachteten den Tod der Stockstädterin für Propagandazwecke aus: Um einen „Terrorangriff gegen die Zivilbevölkerung“ habe es sich gehandelt.

Bilder und Zeitzeugenberichte zu den Geschehnissen sind nachzulesen in der Broschüre „Die Nacht, als die Bomben kamen“, die Jörg Hartung zusammengestellt hat.