Im Museum der Gemeinde Stockstadt am Rhein in ehemaligen Verwalterhaus des Hofgutes Guntershausen befinden sich unter anderem auch Teile des Stockstädter Gemeindearchivs. Zu diesem Bestand zählen weit über 400 historische Bauakten aus den Jahren von 1846 bis 1929. Dieser Aktenbestand beinhaltet Bauanträge, die teilweise sogar aufwendig koloriert sind, sowie die dazugehörigen Lagepläne.
Bei der Sichtung der historischen Akten durch Museumsleiter Jörg Hartung stellte es sich als sehr unvorteilhaft heraus, dass der Bestand nach dem Namen des damaligen Bauantragstellers in alphabethischer Reihenfolge abgelegt wurde. Um die alten Dokumente zu erschließen bzw. auswerten zu können, war es unumgänglich diese nach heutigen Grundstücken mit der entsprechenden Hausnummer zu ordnen und zu archivieren.
Hierbei trat ein weiteres Problem auf: in den alten Unterlagen waren häufig keine Straßennamen und in keinem Fall eine Hausnummer vermerkt, lediglich der Name des Antragstellers war angegeben. In den zum Antrag gehörenden Lageplänen stand – wenn überhaupt – lediglich „neue Straße“ oder „Provincialstraße“, so dass eine Verortung des jeweils betroffenen Grundstücks sehr schwierig war. Glücklicherweise waren in den Plänen auch die Eigentümer der benachbarten Häuser und Grundstücke angegeben. Unter Zuhilfenahme des „Landes-Adressbuches für das Großherzogtum Hessen“ aus dem Jahre 1905 und eines Stockstädter Ortsplanes von 1886 machte sich nun Museumsmitarbeiter Martin Rödl unter Anleitung von Jörg Hartung an die Arbeit, um die Straße und Hausnummer des jeweiligen Gebäudes zu ermitteln. Hierbei kam nun auch „moderne Technik“ in Form von „Google Maps“ zum Einsatz, womit man den jeweiligen Ausschnitt des aktuellen Ortsplanes entsprechend vergrößern und mit den alten Planunterlagen vergleichen konnte. Auf diese Weise gelang es etwa 97 % der alten Bauanträge einem Grundstück zu zuordnen.
Als nächster Schritt wurden die so gewonnenen Daten von Museumsmitarbeiter Walter Mück in eine Excel-Tabelle eingetragen, die sich nun nach dem Namen des Antragstellers, nach Straße und Hausnummer, der Gebäudeart und dem Datum des Antrags beliebig sortieren lässt. Auf diese Weise kann man jetzt die Bebauung der einzelnen Straßenzüge nachvollziehen.
Bei den Arbeiten kam Interessantes für die Stockstädter Ortsgeschichte zum Vorschein, wie beispielsweise eine detaillierte Zeichnung vom Fachwerk des bereits 1959 abgebrochenen historischen Stockstädter Rathauses, die 1909 gefertigt wurde. Oder ein um 1850 angelegter Lageplan, der noch den Grundriss des herrschaftlichen Lagerhauses der Darmstädter Landgrafen, das frühere Stockstädter Hafengebäude in der heutigen Rheinstraße, zeigt. Wegen seiner enormen Größe wurde das Lagerhaus im Volksmund „der Bau“ genannt.
Schließlich beschaffte die Gemeindeverwaltung die notwendigen säurefreien Aktendeckel, um eine fachgerechte Archivierung des Aktenbestandes zu gewährleisten. Es konnte so pro Grundstück eine Akte angelegt werden, die mit dem aktuellen Straßennamen, der Hausnummer und dem Antragsteller versehen ist. Somit ist nun eine gezielte Archivrecherche möglich.