Ried-Echo vom 3.10.2017: Großherzog Ernst Ludwig, eine außergewöhnliche Persönlichkeit

STOCKSTADT – (bge). Der Wormser Reichstagsabgeordnete Cornelius Wilhelm Freiherr von Heyl zu Herrnsheim erwarb 1888 das auf dem Kühkopf liegende Hofgut Guntershausen. Er schuf dort ein Jagdparadies mit Seltenheitswert. Das berichtete Jörg Hartung bei einem „großherzoglichen Hofgutnachmittag“. Und so freute er sich besonders, dass mit Ludwig von Heyl der Urenkel des Freiherrn gekommen war.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung des Fördervereins Hofgut Guntershausen stand der letzte Darmstädter Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Der Regent besuchte häufig als Jagdgast den Kühkopf; sein 80. Todestag am 9. Oktober 1937 steht in diesem Jahr im Kalender. Seinen Vortrag veranschaulichte der Geschäftsführer des Fördervereins mit vielen Bildern.

Großherzog Ernst Ludwig sei eine sehr außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen, sagte Hartung vor den rund 70 Zuhörern: geschieden, ein zweites Mal verheiratet, mehr Interesse an Kunst als am Militär, im Gespräch mit demokratischen Kräften. Die Lebensgeschichte des am 25. November 1868 geborenen Thronerben setzte sich mit dem Offiziersexamen und dem Studium der National-Ökonomie, deutscher Rechtsgeschichte, Monumentalkunst und Kunst der Gegenwart fort.

Eine Aufnahme machte die besondere Haltung Ernst Ludwigs zum Militär deutlich: schief aufgesetzte Mütze, Kippe lässig im Mundwinkel. Mit 23 Jahren trat er am 13. März 1892 die Nachfolge seines Vaters, Großherzog Ludwig IV., an. 1905 heiratete er Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich. Aus der Ehe gingen die Söhne Georg Donatus, von den Darmstädtern „Erbschorsch“ genannt, und Ludwig hervor.

Bis nach dem Ersten Weltkrieg im November 1918 habe sich der Großherzog erfolgreich bemüht, die Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen und die Entwicklung des Landes voranzutreiben. Hartung: „Das Volk hat ihm das mit ehrlicher Hochachtung gedankt.“ Der Referent zitierte Manfred Knodt: „Mit seinen Landeskindern konnte er umgehen, er lebte mit ihnen, er verstand ihre Sprache und er sprach sie auch, den Darmstädter Dialekt, das Heinerdeutsch.“

Erster Flugplatz in Deutschland

Hartung erinnerte an Wirkungen der Regierung des Fürsten: Der Ansiedlung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe 1899 verdankt Darmstadt die Bezeichnung „Stadt des Jugendstils“. Flugpionier August Euler gab Ernst Ludwig Raum, seine Ideen umzusetzen, so dass Darmstadt 1908 den ersten Flugplatz Deutschlands hatte. 1906 akzeptierte Ernst Ludwig die Wahl des SPD-Mitgliedes Leonhard Eißnert zum Beigeordneten in den Magistrat der Stadt Offenbach, was ihm in konservativen Kreisen den Schmähnamen „roter Großherzog“ eintrug.

Der Regent, so Hartung, zeichnete, schrieb Gedichte, wagte Kompositionsversuche, entwarf Theaterkulissen und Kostüme und beeinflusste Inszenierungen der Darmstädter Opernbühne. Der „Spiegel“ berichtete von einem Besuch am Zarenhof 1916, wo der Großherzog wohl eine Übereinkunft mit Russland, wenn nicht gar einem Separatfrieden habe erreichen wollen.


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