Ried Echo vom 05.06.2018
Von Benita Nold
STOCKSTADT – „Was macht denn die Toilette da?“, fragt sich womöglich der eine oder andere Besucher des Stockstädter Heimatmuseums. Inmitten von alten Werkzeugen, Kutschenteilen und einem Modell des früheren Herrenhauses des Guts steht sie auf einer Erhöhung aus Holz. Sie ist in blauer Farbe mit Fasanen, Blumenranken und Blattwerk prunkvoll bemalt und glasiert. Sie ist ein richtiges „Nobel-WC“.
Nach fast 40 Jahren kehrte der Toilettensitz 2014 auf den Kühkopf zurück. Die Nobel-Toilette gehörte Cornelius Wilhelm Freiherr von Heyl zu Herrnsheim und befand sich im ehemaligen Herrenhaus des Hofgutes Guntershausen. Kurz vor dem Abbruch des „Herrschaftshauses“ Ende der siebziger Jahre wurde die Toilette vom Sohn des früheren Gutsverwalters, Thomas Gaudchau, vor der Zerstörung gerettet und seither aufbewahrt. Er übergab die Rarität an den Förderverein Hofgut Guntershausen für das Museum im Hofgut.
Es handelt sich um eine Toilette der Marke „Cauldon“ mit dem Modellnamen „The Neptun“, die in den 1890er Jahren in England in der Grafschaft Staffordshire, vermutlich von der Firma „Brown-Westhead, Moore & Co“ produziert wurde. Der Überlieferung nach befanden sich ursprünglich zwei dieser Toiletten im Herrenhaus, wovon eine allerdings zu Bruch ging.
Solange es im Haus noch kein fließendes Wasser gab, musste zur Spülung der Toiletten ein eigens im Dachgeschoss angebrachter Wassertank von den Bediensteten des Freiherrn mit Eimern aufgefüllt werden. Da der Freiherr von Heyl zu Herrnsheim in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg regelmäßig zahlreiche hochrangige Jagdgäste wie Prinz Heinrich von Preußen, Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein sowie König Wilhelm II von Württemberg in seinem Herrenhaus empfing, ist davon auszugehen, dass diese Toilette dort gelegentlich auch von diesen Herrschaften aufgesucht wurde.
Zar Nikolaus II von Russland war ebenfalls Besucher des Freiherrn. Ihm wurde ebenfalls ein Exponat im Museum gewidmet. Eine Nachbildung des Klappstuhls des Zaren, auf dem er während der „Hubertus-Jagd“ am 3. November 1903 gesessen hatte, steht direkt neben dem Nobel-WC. Auf der Lehne ist zu lesen: „Auf diesem Stuhle saß Nikolaus II., Kaiser von Russland, auf der „Hubertus-Jagd“ im Jahre 1903 zu Guntershausen“. Wer damals die Beschriftung anbrachte, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.
Klappstuhl für Zar Nikolaus
Um eine Nachahmung handelt es sich deshalb, weil der originale Klappstuhl im Besitz der in Guntersblum lebenden Nachkommen des früheren Oberförsters Alois Bauer ist, der den Stuhl nach der Jagd an sich nahm. Bauer wohnte im Forsthaus des Hofgutes Guntershausen auf dem Kühkopf und unterstützte den Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim bei der Organisation und Durchführung der Jagd.
„Dem Tagebuch des Zaren ist zu entnehmen, dass er diesen Tag als sehr angenehm empfand, er fühlte sich auf dem Kühkopf sehr wohl“, ist auf einer der vielen erklärenden Tafeln zu lesen, die an den Wänden des Museums aufgehängt wurden. Ein Bild des Zaren, die auf seinen Besuch abgestimmte Tagesordnung sowie seine Jagdgesellschaft sind für einen anschaulichen Eindruck der Geschehnisse auf der Tafel platziert worden.
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