Stockstadt: Kleine Dramen vor der Linse

Artikel im Groß Gerauer Echo vom 10.9.2022

Im Stockstädter Hofgut Guntershausen ist Monika Seibs Ausstellung „Wasser und Licht“ eröffnet worden.

von René Granacher

STOCKSTADT – Warum ist der Seminarraum des Hofguts Guntershausen voll mit Besuchern, wenn es dort Fotos von Dingen zu sehen gibt, die man in der nahen Umgebung des Hofguts auch live betrachten kann? Zum einen, weil Motive wie ein Hochwasser am Kühkopf eben nur zu bestimmten Zeiten zu sehen sind. Wichtigerer Grund ist aber, dass die Aufnahmen von Monika Seib unter der Überschrift „Wasser und Licht“ Dinge sichtbar machen, die vielen Menschen einfach entgehen.

Die Schönheiten der Natur im Ried sind gut bekannt. Spiegelungen von Himmeln und Bäumen im Wasser, ein Silberreiher in der Modau, eine Brücke im Hochwasser: Das sind noch vertraute Bilder. Die Fotografin hat aber genauer hingesehen und Aspekte entdeckt, die nicht unbedingt spektakulär sind, aber kennzeichnend für die Besonderheiten der Landschaft.

Filigrane Eisgebilde etwa, die nach dem Rückzug des Wassers in Zweigen oder auf Gräsern verbleiben, oder eine Mohnblume, die zart vom Gegenlicht durchleuchtet wird. Auch kleine Dramen sind zu sehen: Ameisen, die vor dem ansteigenden Wasser versuchen, ihre Brut in Sicherheit zu bringen. Eine gute Kamera wie Seibs Canon Eos 70D ist da hilfreich, Voraussetzung ist aber zuallererst das Auge, um die Motive überhaupt zu entdecken – und dann noch die richtige Position und Brennweite zu finden, damit sich ein Bild mit gelungenem Aufbau ergibt.

Vor drei Jahren musste die Hobbyfotografin noch zu ihrer ersten Ausstellung überredet werden, erinnerte sich in seiner Einführung Wilfried Pfeiffer, einst Seibs Vorgesetzter im Stockstädter Bauamt. Inzwischen identifiziert sie selbst manche ihrer Bilder als ausstellenswert, bestärkt durch die positiven Rückmeldungen, die sie auf sozialen Medien für ihre Fotos bekommt.

Die meisten Bilder in der Ausstellung sind bei Winter- und Sommerhochwassern 2021 rund um den Kühkopf entstanden, berichtete Monika Seib selbst. Mit diesen Naturphänomenen seien die Stockstädter vertraut: „Das Wasser gibt Leben, kann es aber auch nehmen – darum sollten wir ihm mit Respekt begegnen.“ Es erfülle sie sehr, Naturschönheiten bildlich festzuhalten, und beim Betrachten einer Spiegelung im Wasser stehe für sie die Welt still. „Wir sind Teil der Natur und sollten mit ihr leben“, schloss sie, „nicht sie beherrschen wollen.“

Neben den Wasserbildern vom Altrhein gibt es einige Aufnahmen aus dem Odenwald sowie Fotos von besonderen Lichtphänomenen: Ein Traktor auf einem Zwiebelacker in den Nusswiesen, der im Sonnenuntergang mit dem Boden verschmilzt; durchleuchtete Gerste auf dem Feld; ein vom Saharastaub gelb gefärbter Sonnenball; Nebel am Auerbacher Schloss. Ein Makroobjektiv setzt kleine Details groß ins Bild, so den Morgentau auf Weidenkätzchen oder einen kleinen Eiszapfen mit Lufteinschlüssen.

Ein Bonus für einheimische Besucher der Ausstellung sind die zweisprachigen Beschriftungen der Bilder – auf Hochdeutsch und Südhessisch. Teils sind sie getreulich übersetzt, teils aber gibt die Mundart ihre eigenen Kommentare zum Thema. So bei der langen, gekrümmten Wolke im Abendschein, die als „Der Finger Gottes“ bezeichnet ist – der Südhesse fragt zweifelnd: „Orrer doch de Daiwi?“

Zu sehen sind die Fotos bis zum 30. Oktober im Verwalterhaus des Hofguts, geöffnet ist es an Wochenenden und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr. Die Bilder können auch erworben werden.